Wunderwaffe Schweigen
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Foto Tim Mossholder auf Unsplash

Wunderwaffe Schweigen

Reden wie ein Wasserfall, Pausen füllen, drei Fragen auf einmal stellen, sich rechtfertigen, erklären und verteidigen … das alles sind Kompensationsmechanismen von Menschen, die noch nicht gelernt haben, an der richtigen Stelle zu schweigen. Hier ein paar gute Gründe für mehr Stille im Gespräch:  

Vor ein paar Jahren auf einer Geschäftsreise öffnete ich die Tür meines Hotelzimmers und wusste sofort: Hier kann ich nicht schlafen. Das Zimmer war winzig, schmuddelig, roch nach Rauch und lag direkt am Fahrstuhl – Lärm garantiert.  

An der Rezeption bat ich um ein anderes Zimmer. Der Mitarbeiter schaute kurz in den Computer und lehnte ab: „Wir haben keine Zimmer frei.“ Kurz dachte ich ans Aufgeben, aber dann blieb ich einfach stehen und sah ihn schweigend an. Nach einer Weile wurde er unruhig und prüfte erneut die Optionen. Das Resultat: Ich verbrachte die zwei Nächte in einer der großzügigen Business-Suiten des Hotels – ohne Aufpreis.  

Ehrlich gesagt war ich selbst überrascht. Doch dieses Erlebnis lehrte mich: Schweigen in einer Konversation ist immer einen Versuch wert. Warum?  

Schweigen schafft Raum  

Wir können nicht gut denken, während geredet wird – weder, wenn wir selbst sprechen, noch, wenn andere reden. Über eine Frage muss man erst einmal nachdenken. Und Gehörtes muss verarbeitet werden.  

Schweigen gewährt Zeit  

Optionen stehen im Raum, ein Vorschlag wurde gemacht oder ein Problem muss gelöst werden. Sofort und spontan draufloszureden bringt selten gute Ergebnisse, weil wir damit nur wiederholen, was wir schon tausendmal gedacht haben. Neue Ideen und Lösungen brauchen dagegen einen Moment der Stille und des Überlegens.  

Schweigen erlaubt Zuhören  

Das klingt fast zu offensichtlich. Meine Erfahrung ist jedoch, dass genau das vielen Menschen schwerfällt. Die „Methode Schweigen“ ist übrigens besonders dann geeignet, wenn du mit scheinbar wortkargen Menschen zu tun hast. Du wirst dich wundern, wie viel diese plötzlich reden, wenn du sie einfach mal lässt.  

Schweigen spielt den Ball zum anderen  

Wenn du einen Vorschlag machst und schweigst, fühlt sich dein Gegenüber genötigt zu antworten. Halte die Stille aus und warte ab. Gerade in Problemsituationen gibt es oft einen, der Lösungen kreiert, und ein Gegenüber, das diese ablehnt. Durch hartnäckiges Schweigen kannst du diese Dynamik umdrehen.  

Schweigen erzeugt Druck  

Wenn du ein Ziel erreichen willst, zum Beispiel in einer Verhandlung, kann es sinnvoll sein, Schweigen auch als Druckmittel zu nutzen. In meiner Hotelgeschichte vom Anfang hat es jedenfalls funktioniert.  

Bist du jetzt neugierig geworden? Aber gehörst du tendenziell zu denen, die die Stille zwischen zwei Worten oder Sätzen schlecht aushalten können? Dann beginnt hier deine Übungsmöglichkeit: Probiere es erst einmal für zwei bis drei Sekunden. Du kannst sogar im Kopf mitzählen. Beim Schweigenüben geht es erst einmal darum, zu erleben, was passiert – und das klappt schon mit solchen Mini-Pausen.  

Schweige beispielsweise …  

– nach einer Frage, die du gestellt hast.  

– nachdem die Antwort deines Gesprächspartners vermeintlich fertig ist.  

– nach einem Vorschlag, den du gemacht hast.  

– wenn du mit einem Angebot deines Gegenübers nicht zufrieden bist.  

– um selbst nachdenken zu können.  

Probiere diese verschiedenen Varianten aus und beobachte, wie sich deine Gespräche und Verhandlungen verändern.  

Und wenn du dir noch mehr zutraust: Schweige, wenn es ohnehin schon still ist. Das ist aus meiner Sicht die mächtigste Variante. Ich nutze sie oft in Coachings und auch in sehr persönlichen Gesprächen. Meine Erfahrung: Besonders, um sich zu öffnen, aber auch um zu reflektieren, brauchen Menschen Zeit, Raum und Stille.  

P.S.: Wenn du die Erfahrung machst, dass dir dein Gesprächspartner in deine wertvolle Stille hineinspricht, bitte ausdrücklich um Ruhe mit einer Geste oder den Worten: „Lass mich kurz überlegen.“ Der Moment wird dir fast immer gewährt. 

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Foto von Tim Mossholder auf Unsplash